Teil 7.

Karikaturen der Zeintung „Słowo“

 

Am 3. Mai 1934 veröffentlichte „Słowo“ eine Karikatur unter dem Titel „Erwuza“. Deren Zeichner war Feliks Dangel („Erwuza“ war die Abkürzung für der Verband kultureller Organisation, welchen Witold Hulewicz in Wilna gegründet hat).  

Das Bild zeigte „Erwuza“ als pralles, monumentales Weib im Negligé. Breitbeinig saß sie in einem Sessel, und las eine Protestnote. Neben ihrem Sessel stand ein Sektkühler mit Flasche. Im Hintergrund hüpften nackte Gestalten. An der Wand des Raumes war, die von Hulewicz angebrachte, Gedenktafel. Die Karikatur nahm angebliche Zustände in der Konradszelle auf die Spitze.

 

Drei Wochen später erschien die nächste Karikatur, wieder mit der Konradszelle als Motiv: Die Gedenktafel war behängt mit Strumpfhaltern, Krawatten, und ähnlichem. Am Boden lagen Luftschlangen, leere Sektflaschen und Gläser. Im Hintergrund hüpften Menschen mit Bärenmasken, wahrscheinlich Mitglieder des Kabaretts „Smorgonia“, welches Hulewicz in der Konradszelle auftreten ließ.

 

Allmählig wurden in der „Słowo“ alle organisatorischen Erfolge von Witold Hulewicz verspottet. Hinter dem „Humor“ des Karikaturisten blitzte die Eifersucht dessen Chefredakteurs durch: Cat hatte allen Grund dazu. Der „Fremde“ hatte die bisherige Konstellation der Kräfte ins Wanken gebracht. Bis zu seiner Ankunft in Wilna, hatte „Słowo“ das letzte Wort in den kulturell-gesellschaftlichen Fragen der Region. Durch das Ausbauen und „Besetzen“ der kulturellen Infrastruktur der Stadt, hatte der „Fremde“ das frühere Monopol der „Słowo“ geschwächt. Ein Teil der „hiesigen“ hielt ihn für einen Eindringling.

 

Am 24. August 1934 wurde Witold Hulewicz als Ritter des Deutschen Ordens dargestellt: Zu Pferd, im weißen Mantel mit schwarzem Kreuz. Neben ihm stand ein untergebener Kreuzritter – wartend – mit brennender Fackel in der Hand. Vor ihnen befand sich eine Holzhütte mit Strohdach.

 

Es gab schon Versuche, Witold Hulewicz zu verteidigen, erinnerte sich Professor Stanisław Stomma, damals ein Mitarbeiter der „Słowo“. „Aber es ist sehr schwer, sich gegen Verspottung zu wehren. Vielleicht hätte Hulewicz einfach nicht reagieren sollen. Cat Mackiewicz war ein Publizist mit Nerv. Dauernd mußte er an jemandem knabbern. Er freute sich dann, daß etwas los war, was die Menschen gerne lesen würden. Hulewicz hat sich provozieren lassen, er hatte schwache Nerven“.

 

Am 6. Juli 1934 erschien im „Kurier Wileński“ eine Protestnote: 60 Wilnaer nahmen Witold Hulewicz und seine Mitarbeiter in Schutz vor den Attacken der „Słowo“. Die Verdienste der Attackierten wurden aufgezählt: Der literarische Mittwoch, die Einrichtung eines Zeitschriftenlesesaals im Basilianerkloster, ein Musikkolleg… – mit einem Wort: Die Organisation des künstlerischen Lebens in Wilna, in den letzten zehn Jahren.

 

Wenige Wochen später erschien in der „Słowo“ die Karikatur „Wir eröffnen die Saison“. Gemeint war die Eröffnung der Wilnaer Pelzmesse. Hulewicz als Widder führte eine Schar von Schafen. „Die Vertreter der künstlerischen Kreise mit dem Vorsitzenden Hulewicz an der Spitze“, hieß es in der Bildunterschrift, und weiter: „Diese Mitteilung erinnert unseren Karikaturisten daran, daß er in der letzten Zeit seine Pflichten vernachlässigt“.

 

 

Eine der Karikaturen, die Feliks Dangel für „Słowo“ gezeichnet hat.

 

Nach der „Behandlung“ der organisatorischen Aktivitäten von Witold Hulewicz, wandte man sich dessen Kindheit zu:      

Am 24. August 1934 erschien in der „Słowo“ eine neue Karikatur des Zeichners Feliks Dangel: Der kleine Witold beim Spiel mit preußischen Zinnsoldaten. An der Wand seines Kinderzimmers ein Tuch mit dem deutschen Sprichwort: „Die Morgenstunde hat Gold im Munde“.

 

Am 11. September erschien in der „Słowo“ die Karikatur „Graue Gans“ (Damit bezeichnet man im Polnischen jemanden, der sich wichtig nimmt). Die fette Gans hatte das Gesicht von Witold Hulewicz.

 

An diesem Tag ging Witold in das Café, das Feliks Dangel gewöhnlich besuchte. Auch diesmal saß er dort. Witold näherte sich seinem Tisch. Mit einer Reitpeitsche verpasste er Dangel einige Hiebe. Dann informierte er ihn über die eingeleiteten juristischen Schritte: Er erwartete das Urteil eines Ehrengerichtes wegen der Hetze gegen seine Person.

Wenig später druckte »Słowo« eine neue Karikatur, diesmal von einem gewissen „Szpak“ signiert: Hulewicz vor Regalen voller Protestnoten: „Das literarische Schaffen von Witold Hulewicz“, höhnte der Kommentar.

 

Zehn Tage später druckte »Kurier Wileński« das Urteil des Ehrengerichtes: „Für die Verleumdung gegen Herrn Hulewicz und die durch ihn repräsentierten Organisationen, wurde Herrn Feliks Dangel die Ehrenfähigkeit entzogen. Dieses Protokoll ist ein lehrreicher Epilog eines Skandals“.

 

Es war keineswegs ein Epilog:

 

Aleksandra Niemczykowa, die Tochter von Stanisław Cat Mackiewicz erinnerte sich: „Feliks Dangel forderte Hulewicz zu einem Duell heraus. Hulewicz sagte aber, daß er sich mit Dangel nicht duellieren würde, weil man sich, laut Ehrenkodex, nur mit ehrenhaften Personen duellieren sollte […]. Da fühlte sich mein Vater, als Chefredakteur der Zeitung «Słowo», dazu genötigt, für seinen Mitarbeiter einzutreten. Er forderte Hulewicz zum Duell heraus. Ihm hat Hulewicz nicht abgesagt. Man einigte sich auf die Waffen – leichte Säbel“.

 

Die Familien der beiden Männer waren gegen das Duell. Sie nahmen an dem Konflikt nicht teil. Die Tochter von Hulewicz besuchte weiterhin die Privatschule, welche die Ehefrau von Cat Mackiewicz führte. Die Mutter von Witold versuchte, ihren Sohn zur Vernunft zu bringen, und als ihre Autorität nicht reichte, ging sie zu einem Priester. Es hat aber auch nicht geholfen.

 

So kam der Tag des Duells.

 

Die Tochter von Cat Mackiewicz erinnerte sich: „Beim Verlassen des Hauses sagte mein Vater zu meiner Mutter: «Richte im Schlafzimmer ein Bett, damit man mich darauf legen kann, falls ich verwundet werde. Im Wohnzimmer richte einen Platz für den Katafalk, damit man meinen Sarg darauf stellen kann, falls mich Hulewicz umbringt. Und im Eßzimmer decke den Frühstückstisch für mehr als zehn Personen, falls ich in Ehren zurückkomme… ».

 

… «In Ehren» hat mein Vater nicht gesagt. Das ist mein Ausdruck“, korrigiert sich die Tochter von Cat Mackiewicz.

Die Gegner überlebten das Duell. Hulewicz wurde an der Hand verletzt. Mackiewicz am Kopf. Ihre Verletzungen waren leicht.

 

Das Echo des Konfliktes gelangte bis nach Warschau. Um die zerstrittenen Männer voneinander zu isolieren, versetzte die Leitung des Polnischen Hörfunks Witold Hulewicz nach Warschau: Für sechs Monate sollte er die Stelle mit dem literarischen Leiter der Zentrale tauschen. „Nach dem Praktikum in Warschau“, versprach die Wilnaer Presse, „würde er nach Wilna, auf seine alte Stelle, zurückkehren […]“.

 

„Hulewicz blieb in Warschau. Er leitete dort die literarische Abteilung, mit dem Nutzen für sich, für die Abteilung, und für die ganze polnische Radiophonie“, hieß es in einer Monographie des Polnischen Hörfunks.

Witold litt unter der Trennung von Wilna. Auf dem letzten Foto, das ihn im Kreise seiner Wilnaer Kollegen zeigte, hatte er matte, traurige Augen.

 

Der Abschied von Wilna: Witold im Kreise seiner Mitarbeiter (1935).

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