Teil 8.

Beim Warschauer Rundfunk

Urlaub in der Hohen Tatra

 

„1936 bekam ich eine Stelle in der Literarischen Abteilung des Warschauer Hörfunks“, erzählte Anna Wolfowa, später Redakteurin für Kindersendungen. „An meinem ersten Arbeitstag ging ich zum Radiogebäude in der Zielna-Straße. Es war acht Uhr morgens. Außer dem Pförtner war niemand da. Ich wartete. Irgendwann kamen die ersten Mitarbeiter. Um zehn Uhr sagte der Pförtner: «Direktor Hulewicz kommt».

 

Ich sah einen großen, breitschultrigen Mann, schwarz wie die Nacht, unheimlich gut aussehend. Ich wurde noch nervöser. Er merkte das und löste meine Anspannung, indem er meine Hand küßte […].

 

Witold Hulewicz war Autor des Projektes Theater der Phantasie (Teatr Wyobraźni). Worauf das beruhte? Vor jedem Hörspiel, vor jeder Hörfunkpremiere wurde an Literaturkritiker, Schriftsteller und andere Multiplikatoren «Die Einladung ins Theater der Phantasie» geschickt, mit der Bitte, nach der Sendung die eigenen Eindrücke mitzuteilen […]. Das war immer ein großes Ereignis.

 

Meine Arbeit bestand darin, Hörspiele abzutippen. Das waren sehr schöne Hörspiele […].

 

Die einzige private Angelelegenheit von Witold Hulewicz, die wir mitbekamen, war die, daß er wegen seiner gescheiterten Ehe litt, und daß er seine Tochter sehr liebte“, erinnerte sich Anna Wolfowa.

 

 

Witold Hulewicz mit seiner Tochter Agnieszka.

 

Sie erzählte folgende Geschichte aus dem Alltag im Warschauer Sender:

 

„Ich habe nicht lange in der Literarischen Abteilung gearbeitet, ungefähr anderthalb Jahre. Dann wurde ich in das Sekretariat des Programmdirektors versetzt […]. Dort arbeitete eine gewisse Stefania Ossowska, ein sehr hübsches Fräulein, das seinem Aussehen sehr viel Zeit widmete. Zu unseren Pflichten gehörte es, die Hörerpost zusammenzufassen und sie – in ein spezielles Heft – einzutragen. Stefania kam damit nicht zurecht und bat mich oft um Hilfe. Also half ich. Auf einmal riß das ab, und alle wunderten sich: «Was für glänzende Zusammenfassungen schreibt jetzt unsere Stenia!».

 

Eines Tages kehrte ich nach meinem Dienst noch einmal ins Büro zurück – und was sah ich?

 

Direktor Hulewicz saß am Schreibtisch. Er machte die Zusammenfassung der Hörerpost. Stenia saß daneben und wippte mit dem Bein […].

 

Witold Hulewicz war ein sehr interessanter Mann. Mich wundert es überhaupt nicht, daß diese viel jüngere Stenia sich für ihn interessierte. Ich weiß nicht mehr, wann sie geheiratet haben. Ich glaube, es war kurz vor dem Ausbruch des Krieges“.

 

Witold mit seiner zweiten Ehefrau Stefania, geb. Ossowska.

Subsidised by the National Centre for Culture under the programme Kultura w sieci